Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Region Göttingen

Meldung der Stadt Göttingen vom 07.05.2024:

Das Sozialwissenschaftliche Institut Zoom – Sozialforschung und Beratung GmbH hat im Auftrag des Gleichstellungsbüros der Stadt Göttingen und der Gleichstellungsstelle des Landkreises Göttingen eine Erhebung zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Region Göttingen durchgeführt. Als übergeordnetes Ziel ergibt sich aus der Studie die Erstellung eines gemeinsamen Aktionsplans zur Verhütung und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt.

Die Istanbul-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt. Für die Studie in der Region wurden von Juni bis Oktober 2023 Interviews mit Expert*innen im Bereich Schutz und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen* durchgeführt und ein umfassender Online-Fragebogen an sämtliche Fachkräfte und Engagierte versendet.

Interdisziplinärer Austausch

Eine positive Erkenntnis ist die Zufriedenheit mit den lokalen Kooperations- und Vernetzungsstrukturen. In der Region gibt es zum einen seit Jahren und Jahrzehnten etablierte Arbeitskreise zum Thema „Häusliche Gewalt“. Sie profitieren vor allem vom interdisziplinären Austausch, beispielsweise zwischen Gewaltschutzeinrichtungen, Beratungsstellen, Jugendamt, Polizei und Staatsanwaltschaft. Zum anderen wurde durch die Einrichtung der kommunalen Koordinierungsstellen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Stadt und Landkreis Göttingen die Verdichtung der Netzwerke und das Transferpotenzial auch in Verwaltung und Politik weiter ausgebaut.

Lücken im Gewaltschutzsystem

Doch erwartungsgemäß zeigen die Ergebnisse auch deutliche Lücken im Gewaltschutzsystem und Bedarfe zum Beispiel im Bereich der Prävention. Aufklärungs- und Sensibilisierungsangebote können wegen mangelnder Ressourcen nicht flächendeckend angeboten werden. Ob ein Präventionsprojekt gegen sexuelle Gewalt in einer Grundschulklasse stattfinden kann, liegt aktuell am individuellen Engagement und frühzeitiger Planung, denn die verfügbaren Stunden für Präventionsangebote bei den durchführenden Institutionen sind begrenzt.

„Dass der ländliche Bereich in Sachen Gewaltschutz massiv unterversorgt ist, wissen wir natürlich schon lange. Durch die Erhebung haben wir jetzt aber konkretere Anknüpfungspunkte, wie zum Beispiel der Bedarf nach mobilen Beratungsangeboten“, erläutert Mirja Ramola, Koordinatorin zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Gleichstellungsstelle des Landkreises Göttingen.

Koordinierte Strategie

Eine weitere Erkenntnis bestätigt eine Forderung der Istanbul-Konvention: Zur Überwindung von Gewalt ist eine koordinierte Strategie notwendig. Das bedeutet, das Schließen der identifizierten Lücken kann nur gelingen, wenn sich alle aktiv daran beteiligen. „Leider haben die Studienergebnisse unter anderem gezeigt, dass es sowohl im Landkreis Göttingen als auch in der Stadt Göttingen noch wenig Kenntnis über gewaltspezifische Unterstützung und rechtliche Maßnahmen gibt. Uns ist wichtig, dass besonders die Fachkräfte, aber natürlich letztendlich auch alle Bürger*innen zum Beispiel über die Möglichkeiten der polizeilichen Wegweisung bei häuslicher Gewalt oder auch der anonymen Spurensicherung bei häuslicher oder sexualisierter Gewalt Bescheid wissen“, unterstreicht Anna Maierl, die Koordinatorin zur Umsetzung der Istanbul-Konvention im Gleichstellungsbüro der Stadt Göttingen.

Gemeinsamer Aktionsplan

Für einen gemeinsamen Aktionsplan zur Verhütung und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt in der Region Göttingen erstellen die Koordinatorinnen der Istanbul-Konvention unter Bezugnahme der Expert*innen aus Fachstellen und Verwaltung einen Maßnahmenkatalog, der anschließend der Politik zur Abstimmung vorgelegt wird.

Vorstellung in Ausschüssen

Zunächst stellen nun die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Sandra Kotlenga und Dr. Andrea Gabler von Zoom – Sozialforschung und Beratung die zentralen Studienergebnisse dem Ausschuss für Personal, Organisation und Gleichstellung des Landkreises Göttingen vor, das Thema steht auf der Tagesordnung für die Sitzung am Dienstag, 7. Mai 2024. Am Dienstag, 4. Juni 2024, erfolgt die Ergebnispräsentation beim Ausschuss für Personal, Gleichstellung und Inklusion der Stadt Göttingen. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, an den öffentlichen Ausschusssitzungen teilzunehmen.

Weitere Informationen

Der ausführliche Bericht "Erhebung zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Stadt und Landkreis Göttingen" ist auf der Webseite des Gleichstellungsbüros der Stadt Göttingen hinterlegt.

 

 

Ziele und Arbeitsschwerpunkte der Gleichstellungsstelle

Die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten beruht auf verschiedenen gesetzlichen Grundlagen wie dem Grundgesetz, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, der Niedersächsischen Verfassung und dem niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz.

Arbeitsgrundlage für die Herstellung der Gleichberechtigung im öffentlichen Dienst der Kommunen in Niedersachsen ist das Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz (NGG).
Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich für die Gleichstellungsstelle des Landkreises Göttingen der Auftrag, Initiativen zu ergreifen und Maßnahmen einzuleiten, die

  • vorhandene Diskriminierungen beseitigen
  • bestehende Benachteiligungsstrukturen verändern
  • die Gleichberechtigung von Frauen und Männern Wirklichkeit werden lassen
  • und Geschlechtergerechtigkeit herstellen

Gleichstellungsdefizite müssen weiterhin abgebaut werden. Dies bezieht sich auf die berufliche Gleichstellung von Frauen, die längst noch nicht verwirklicht ist. Auch Kindererziehung, Haushalt und Fürsorgearbeiten sind weiterhin (fast) reine Frauensache.

Die strukturelle Benachteiligung von Frauen zieht sich durch viele gesellschaftliche Bereiche. So sind Frauen in politischen Gremien und Entscheidungspositionen unterrepräsentiert. Sie sind häufiger als Männer von Arbeitslosigkeit und Armut – insbesondere als Alleinerziehende und im Rentenalter – betroffen. Dies bedingt ihre stärkere Abhängigkeit von Sozialleistungen. Gewalt gegen Frauen und Mädchen, sexueller Missbrauch von Kindern und Sexismus sind unverändert bestehende, strukturelle bedingte Problemkreise in unserer Gesellschaft.

Gleichstellungsarbeit schließt Männer und Jungen nicht aus. Bei Elternzeit und Teilzeitarbeit sind Männer stark unterrepräsentiert; großen Nachholbedarf haben sie, Fürsorgearbeit für Kinder, Ältere und Pflegebedürftige zu übernehmen.

Dieses – und vieles mehr – muss sich im Interesse der Geschlechtergerechtigkeit ändern.

In der Praxis leiten sich daraus folgende Aufgaben ab:

  • Aktionsbündnisse z. B. zum Internationalen Frauentag, zum Internationalen Tag Nein zu Gewalt an Frauen und zum Equal Pay Day unterstützen
  • Herausgabe von Broschüren und Informationsmaterial sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
  • Mitarbeit in Projekten und Initiativen, die zur Verbesserung der Lebenssituation von Frauen beitragen
  • Persönliche Beratung und Unterstützung von Frauen in allen Fragen der Gleichberechtigung
  • Organisation von Bildungsangeboten, Seminaren und frauenspezifischen Kulturveranstaltungen
  • Zusammenarbeit mit Frauengruppen, Verbänden, Vereinen und Institutionen zur Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung von Frauen
  • Mitarbeit in den politischen Gremien, um geschlechterdifferenzierte und frauenspezifische Sichtweisen in die politische Debatte einzubringen

Stabsstelle: Stabsstelle Gleichstellungsbeauftragte

Reinhäuser Landstraße 4
37083 Göttingen

Raum: 228

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